Baulandmobilisierung
für den sozialen Wohnungsbau

03.11.2022: Neue Ideen für mehr Projekte im sozialen Wohnungsbau im Zusammenspiel mit den Kommunen. Ein Diskussionsbeitrag durch Geschäftsführer Dr. Martin Koch liefert drei Vorschläge zur Bekämpfung des Wohnraummangels.

Auf Bundesebene wurden insbesondere in den vergangenen zwei Jahrzehnten zunehmend Gesetze zulasten der Kommunen erlassen. Diese müssen als Problemlöser in immer mehr Bereichen herhalten. Beispiele: Aufnahmen von Flüchtlingen, Sicherung der Kinder- und Kleinkinderbetreuung, Ausweisung von Vorrangflächen für die Erzeugung erneuerbarer Energien und letztendlich auch die Schaffung von Sozialwohnungen. Gleichzeitig sind zahlreiche Kommunen hoch verschuldet und stehen unter sehr kritischer Aufsicht durch die jeweiligen Landesrechnungshöfe im Hinblick auf Ihre Ausgaben – insbesondere der Personalkosten. Die Jobs im öffentlichen kommunalen Dienst mögen zwar sicher sein, die Bezahlung kann aber schon lange nicht mehr mit der Privatwirtschaft mithalten. Und in Zeiten der massiven Personalknappheit ist der sichere Job im öffentlichen Dienst bei weitem nicht mehr so reizvoll, um den Gehaltsgap zu kompensieren. Die Personalknappheit führt zunehmend zu Frustrationen der „verbliebenen“ Mitarbeiter, wodurch hohe Krankenstände die Folge sind und „Dienst nach Vorschrift“ praktiziert wird, um Stellenbesetzungen zu erzwingen.

Gleichzeitig erfordert das gestiegene Anspruchsdenken der Bewohner und die niedrigschwellige Protestbereitschaft – gerade in den sozialen Medien – neue kommunale Handlungsstrategien, was zunehmend auch die gewählten politischen Vertreter überfordert. „Not in my backyard“ ist die neue Maxime.

Gerade die mittlere Managementebene (Amtsleiter) hat mittlerweile eine Verantwortungs- und Aufgabenfülle und hiermit verbundene Kommunikationserfordernis, die nicht ansatzweise angemessen honoriert wird.

Vor dem Hintergrund dieses Dilemmas ist es eher überraschend, dass die Abläufe, wenn auch zeitlich massiv verzögert, überhaupt noch ansatzweise funktionieren.

Die Bundesregierung hat sich nun auch noch zum Ziel gesetzt, 400.000 Wohnungen und davon 100.000 Sozialwohnungen jährlich zu schaffen, um der massiven Wohnungsnot gerade der unteren Einkommensschichten entgegenzuwirken. Wenn wir uns vor Augen führen, dass derzeit immer noch mehr Wohnungen aus der Mietpreisbindung herausfallen als neu geschaffen werden, ist dieses Ziel durchaus verständlich. Wie viele Sozialwohnungen werden denn derzeit jährlich neu geschaffen? Im Jahr 2021 waren dies 21.500 Wohnungen, 6.500 weniger als noch 3 Jahre zuvor. Die aktuellen Baupreis- und Zinssteigerungen werden zusätzliche negative Wirkungen entfalten. Die Wohnungsnot verschärft sich somit dramatisch.

Wer soll dieses Problem nun lösen? Die Kommunen. Zur Unterstützung der Gemeinden gibt es neuerdings das Baulandmobilisierungsgesetz, das Kommunen Vorkaufsrechte für den Ankauf von Grundstücken einräumt. Auch für ehemalige Kasernenareale oder sonstige Flächen des Bundes haben Kommunen ein so genanntes Erstzugriffsrecht. Was passiert denn nun mit den Flächen, die sich dann in kommunaler Hand befinden? Wie schnell werden diese denn für den Wohnungsmarkt mobilisiert? Die Vorbereitung von Beschlussfassungen und Abstimmung mit den Aufsichtsbehörden, die frühzeitigen Bürgerworkshops, die Expertenhearings, die Nutzungskonzepte, die städtebaulichen Vorüberlegungen und Wettbewerbe, die Energie-, Klima- und Mobilitätskonzepte, die Städtebaulichen und Erschließungsverträge und am Ende dann auch noch das Bebauungsplanverfahren verschlingen nicht selten deutlich mehr als 10 Jahre, wird der Prozess in kommunaler Hand gemanagt. Dass es auch anders geht, hat das Mittelzentrum Montabaur im Westerwald gezeigt, wo im vertrauensvollen Zusammenspiel zwischen privatwirtschaftlichem Entwickler und kommunaler Verwaltung und Politik innerhalb von 18 Monaten Baurecht für ein 41 ha großes Areal geschaffen werden konnte. Vertrauen, das ist der Schlüssel.

Die ausgebluteten und dadurch vielfach überforderten Kommunen können nicht der Problemlöser für die Wohnungsnot sein. Ohne die privaten Investoren geht es nicht. Damit es wieder schneller geht, muss aus dem Gegeneinander aber wieder ein Miteinander werden.

Was muss passieren, damit das Zusammenspiel von öffentlicher Hand und privater Wirtschaft wieder besser funktioniert? Zu oft werden die kommunalen oder sagen wir besser die gesellschaftlichen Interessen von privaten Investoren nicht ernst genommen, und nur die Gewinnmaximierung wird als Kriterium der Flächenentwicklung gesehen. Kein Wunder, dass die Immobilienwirtschaft dann nicht mehr als gesellschaftlicher Problemlöser ernst genommen wird und weitreichende Gängelungen in Form von Quoten, Verboten, Gestaltungsvorgaben, Preisbremsen und letztendlich Vorkaufsrechten die Folge sind. Selbstverständlich muss auch die öffentliche Seite akzeptieren, dass Gewinne zur Marktwirtschaft gehören – auch zur sozialen Marktwirtschaft.  

Die Lösung der Problematik aus privater Unternehmersicht kann auch nicht ausschließlich darin liegen, den digitalen Bauantrag zu fordern und die energetischen Standards zu senken, damit günstiger gebaut werden kann. Das wird die Anzahl der jährlich neu zu schaffenden Sozialwohnungen nicht verfünffachen, um die politischen Vorgaben und gesellschaftlichen Erfordernisse zu erfüllen. Innovative und kreative Ideen der Privatwirtschaft für das Zusammenspiel von öffentlicher Hand und privaten Investoren sind gefordert. Gestatten Sie mir drei Vorschläge zur Eröffnung der Diskussion.

1. Beschleunigtes Baurecht, erweiterter Bauantrag statt Bebauungsplan:

Statt sektorale Bebauungspläne als Blockadeinstrument für Innenbereiche mit Baurecht brauchen wir erweiterte Bauanträge und angepasste Genehmigungsverfahren für räumlich begrenzte Innenbereiche ohne Baurecht. Thematisch eng begrenzte, zentrale Fragestellungen des Bebauungsplanverfahrens werden in das Baugenehmigungsverfahren implementiert und sind von den Antragstellern im Bauantrag abzuarbeiten. So können aufgegebene kleinere Fabriken, ehemalige Gärtnereien oder Sportplätze im Siedlungszusammenhang für den sozialen Wohnraum zügig aktiviert werden.

2. Erstzugriffsrecht für Investoren, Vorrang für sozialen Wohnungsbau:

Beim Verkauf öffentlicher Grundstücke haben jene Investoren, die Sozialwohnungen errichten wollen, ein Erstzugriffsrecht zu einem vorgegebenen, wirtschaftlich verträglichen Quadratmeterpreis. So kann es nicht mehr vorkommen, dass wie zum Beispiel bei der Fritzsch-Kaserne in Koblenz für den Bund als Verkäufer nur der Preis und nicht das Konzept zählt. Auch viele Kommunen agieren so, da sie aufgrund der prekären Haushaltssituation von den Landesrechnungshöfen zur Maximierung ihrer Einnahmen verpflichtet wurden. Der Differenzbetrag zum möglichen Marktpreis wird dem Verkäufer aus dem Wohnraummobilisierungsfond des Bundes erstattet.

3. Bauen vereinfachen, Bauen für die Mieter und nicht für die Sachverständigen:

Wer bauerfahren ist, weiß, dass endlos viele DIN-Vorgaben keine echte Praxisrelevanz haben. Das beginnt bei der Flachdachrichtlinie, geht über die Vorgaben zur Barrierefreiheit bis hin zum Schallschutz. Wenn wir Innovation wollen, um zum Beispiel nachhaltiger – insbesondere im sozialen Wohnungsbau – zu bauen, brauchen wir wieder deutlich mehr Freiheitsgrade. Drehen wir das Rad in dieser Hinsicht einfach nochmal 15 Jahre zurück und starten neu – damit meine ich einen Reset aller DIN-Vorgaben.

Selbstverständlich stehen wir aktuell vor zahlreichen Herausforderungen, aber das gilt für zahlreiche Branchen, die sich aktuell neu erfinden müssen. Machen wir mit und gestalten wir wieder aktiv und nicht nur reaktiv.